Claude Meisch au sujet de l'orientation scolaire

"Der Teufel steckt im Detail"

Interview: Stefan Kunzmann

Revue: Herr Minister, in den vergangenen Jahren hieß es häufig, die Schüler würden hierzulande am Arbeitsmarkt vorbei orientiert.

Claude Meisch: Das ist zu generell ausgedrückt. Es gibt sicherlich welche, die gleich eine Ausbildung oder eine Stelle erhalten und die auch wirklich dem Bedarf des luxemburgischen Arbeitsmarktes entsprechen. Aber es gibt natürlich auch punktuelle Probleme. Wir wissen, dass wir einige Ausbildungsgänge haben, die auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr so gefragt sind. Deshalb muss man dies regelmäßig analysieren.

Revue: Gibt es positive Veränderungen, was die Orientierung von Schülern betrifft?

Claude Meisch: Orientierung hat es schon immer gegeben. Jeder Lehrer macht das. Die SPOS in den Sekundarschulen zum Beispiel. Seit zwei Jahren haben wir die Maison de l'Orientation, wo wir die einzelnen Dienststellen in einem Gebäude an der Place de l'Etoile unter einem Dach integriert haben. Dort bieten wir Beratung an. Ganze Schulklassen gehen dorthin. Ein erfolgreiches Modell. Aber es gibt auch noch einiges zu verbessern.

Revue: Was zum Beispiel?

Claude Meisch: In dem Regierungsprogramm ist vorgesehen, dass die Maison de l'Orientation, was momentan noch ein loser Verbund ist, einen gesetzlichen Rahmen erhält. Damit soll die Orientierung überhaupt in ein Gesetz einfließen. Bis jetzt gibt es für sie keine gesetzliche Grundlage. Das geht von der Grundschule bis zum Abitur.

Revue: Beim Übergang von der Grundschule zu Sekundarstufe gibt es Nachholbedarf.

Claude Meisch: Es wurde immer wieder darüber diskutiert, ob wir dabei die richtige Orientierung vornehmen. Wir haben bekanntlich zwei Möglichkeiten: Die vorgeschlagene Orientierung, bei der die Schüler eine Testphase durchlaufen, wird von den Eltern akzeptiert...

Revue:...was bei mehr als 80 Prozent der Fall ist...

Claude Meisch:...oder die Schüler beantragen ein separates Examen, wo vielleicht eine andere Orientierung herauskommt. Meistens wird aber die erstmalige Orientierung bestätigt. Wichtig ist aber, dass es auch noch später "Brücken" gibt, über die man vom technischen zum klassischen Lyzeum wechseln kann, ohne Nachteile zu erleiden. Denn so früh einen späteren Lebensweg vorauszusagen ist nicht immer möglich. Es heißt auch, Stärken zu entdecken und ihn in diese Richtung zu orientieren. Der Schüler soll auch verstehen, was er kann und was ihm liegt. Das muss er für sich selbst entscheiden. Das kann kein Orienteur. Dieser muss dem Schüler die Situation vor Augen führen, was ihm liegt und nicht. Das ist nicht ganz einfach.

Revue: Welche Rolle spielen die "bilans intermédiaires", die vereinfacht werden soll?

Claude Meisch: Eine Berücksichtigung der "bilans" gehört dazu. Wir wollen die "bilans" leserlicher machen und konkrete Informationen liefern, wo die Stärken und Schwächen des Schülers liegen. Vereinfachen ist nicht der einzige Anspruch. Sie sollen leserlicher sein, d.h. für die Lehrer einfacher auszufüllen und für die Eltern leichter verständlich sein. Bei den bisherigen "bilans intermédiaires" haben wir noch 65 einzelne Bewertungen. Für den Lehrer ist es manchmal schwierig, alles exakt zu bewerten und für die Eltern ist es nicht einfach, das herauszulesen. Jetzt haben wir nur noch 25. So sieht man, wie die Leistung im aktuellen Trimester war, aber auch die Entwicklung im Verlauf der anderen Trimester.

Revue: Wie gelingt der Übergang von der Grundschule zur Sekundarstufe?

Claude Meisch: Bei diesem Übergang multiplizieren sich noch einmal die Probleme, die wir an unseren Schulen haben. Wir haben ihn noch nicht so glatt gestaltet, wie es vielleicht sein sollte. Aber so einfach wird es für den Schüler nie sein. Er verlässt seine Schule im Viertel oder im Dorf, geht in die große Schule und ist vielleicht mit dem Bus unterwegs. Es ist eine andere Welt. Das ist gewöhnungsbedürftig für den Schüler. Hinzu kommt, dass es unterschiedliche Systeme sind. In der Grundschule haben wir den kompetenzorientieren Unterricht bereits, aber noch nicht in der Sekundarstufe. Auch von den Programmen her gibt es unterschiedliche Ansätze. Da fehlt noch die Vernetzung, was die Programme angeht, vom vierten Zyklus in der Grundschule, zur Sekundarschule. In der siebten Klasse ist manch ein Schüler erschrocken. Wenn er nicht durchhält, kommt er unter die Räder.

Revue: Wie geht es weiter mit der Sekundarschulreform?

Claude Meisch: Getreu dem Regierungsprogramm warten wir auf das Gutachten des Staatsrats, mit dem im Herbst zu rechnen ist. Wir wollen dann angesichts dieses Gutachtens und anderer Meinungsäußerungen, die in den vergangenen zwei, drei Jahren zum Teil sehr massiv vorgetragen wurden, den Gesetzestext nochmals überarbeiten, bleiben aber eigentlich bei der Grundstruktur des Textes, der von der Vorgängerregierung eingebracht wurde. Es wird aber nicht alles eins zu eins bleiben. Zum Beispiel gehört das Tutorat eher in das Gesetz zur Orientierung. Das Gesetz soll Antworten auf die Herausforderungen der luxemburgischen Gesellschaft bieten.

Revue: Im Einklang mit den Lehrern? Haben Sie vor, den Lehrern entgegenzukommen?

Claude Meisch: Das hängt von deren Positionen ab. Ich möchte gern Frieden schließen, aber nicht, indem ich faule Kompromisse eingehe. Mein erstes Ziel ist es, ein gutes Gesetz zu haben, nicht der absolute Konsens mit der Lehrerschaft. Ich denke, sie kann sich sehr positiv miteinbringen. In der Stoßrichtung dürfte ein großer Konsens bestehen. Der Teufel steckt im Detail. In dem Gesetz muss auch nicht alles definiert sein. Es soll einen Rahmen vorgeben und Bildungsziele definiert werden. Dabei kommt es sehr auf die Autonomie der Schulen an. Vieles kann dort entschieden werden. Zum Beispiel das Tutorat. In der Hälfte der Sekundarschulen gibt es dies schon. Im Herbst starten wir zum Beispiel das Lyzeum in Junglinster, wo mit Englisch in der siebten Klasse begonnen werden soll. Sonst ist das in der achten Klasse. Solche Initiativen sind wichtig, damit der Schüler und seine Eltern weiß, welche Schule für ihn die richtige ist.

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