Claude Meisch au sujet de ses priorités au niveau ministériel

"Wir haben eine Sprachensituation, die mit keiner eines anderen Landes zu vergleichen ist"

"Wir haben eine Sprachensituation, die mit keiner eines anderen Landes zu vergleichen ist. Die Muttersprache ist meist Luxemburgisch oder Portugiesisch, die Alphabetisierung erfolgt in Deutsch oder Französisch, also nicht in einer Muttersprache. Wir werden auf diesem Gebiet weiter mit der Universität Luxemburg zusammenarbeiten, die hier bereits Kompetenzen angesammelt hat. Die Altersperiode zwischen null und drei Jahren ist besonders wichtig beim Erlernen von Sprachen, deshalb werden wir versuchen, die entsprechenden Kompetenzen hier zu fördern."

Tageblatt: Ist es nicht eine Ironie des Schicksals, dass die DP als Wahisieger aus den Parlamentswahlen her vorging und Differdingen verlor? Wurden Sie persönlich nicht durch die schwerwiegenden Vorwürfe eines Schöffen aus Ihrer Partei beschädigt?

Claude Meisch: Was diese Vorwürfe betrifft, so würde ich immer noch gerne wissen, was konkret gemeint ist. Die Vorwürfe bleiben vage, so dass ich keine Möglichkeit hatte, mich zu verteidigen, was wohl bewusst so geschah. Ich hoffe nur, dass jetzt die Arbeit der vergangenen zwölf Jahre nicht zerstört wird. Wir haben viel für Differdingen erreicht, die Stadt hat die „Kurve gekriegt“. Während der politischen Krise in der Gemeinde habe ich mir große Sorgen gemacht und schlecht geschlafen. Besonders enttäuscht bin ich vom Koalitionspartner der DP (den Grünen), der nach der Gemeinderatssitzung vom 8. Januar wegen persönlicher Ambitionen nicht mehr mit der DP reden wollte, dies enttäuschte mich menschlich. Ich hoffe jetzt, dass die neue Mannschaft sich mit dem gleichen Engagement wie die vorherige an die Arbeit im Interesse der Gemeinde macht.

Tageblatt: Seit Dezember sind Sie nun Minister. Was ist angenehmer, ein Ministersessel oder ein Büro im Differdinger Rathaus?

Claude Meisch: Das Bürgermeisteramt wurde allmählich zur Routine, was Vorteile, aber auch Nachteile hat. Die ersten Wochen nutzte ich hier im Ministerium, um die Mitarbeiter und die Dossiers kennenzulernen, Aufgaben zu verteilen, die Umsetzung des Koalitionsprogramms zu planen ... festen Boden unter die Füße zu bekommen Die Motivation bei meiner neuen Aufgabe ist die gleiche, wie die des Bürgermeisters. Durch die Ausweitung der Bereiche des Ministeriums gibt es ein gutes Potenzial, gestaltend zu wirken. In einem Ministerium ist so alles vereint, was die Zukunftsgestaltung des Einzelnen, aber auch des Landes betrifft. Mit André Bauler werden wir sicherlich gute Arbeit leisten können.

Tageblatt: Wie haben Sie sich die Arbeit mit ihrem Staatssekretär aufgeteilt?

Claude Meisch: André Bauler übernimmt schwerpunktmäßig die Berufsausbildung, bei der die Reform von 2008 zu organisatorischen Problemen führte, die prioritär gelöst werden müssen. Auch ist er für die Reform des Sekundarunterrichts zuständig, die ja unter der vorigen Koalition begonnen wurde und jetzt fertiggestellt werden muss; er kümmert sich weiter um die Reform des „Préparatoire“, um den Bereich LifeLongLearning, wobei wir punktuell zusammenarbeiten. Ein großes Feld, das wir gemeinsam betreuen, wird zum Beispiel während der nächsten fünf Jahre der Sprachenunterricht sein. Wir können hierbei nicht in der Grundschule in eine Richtung ziehen und im Sekundarunterricht in eine andere.

Tageblatt: Das Dossier der Berufsausbildung scheint ein besonders akutes zu sein. Glaubt man verschiedenen Aussagen, so herrschen hier katastrophale Zustände...

Claude Meisch: Dies möchte ich relativieren. Der Ansatz der Reform, die Arbeit mit Modulen, ist nicht falsch. Die Schüler, die durchkommen, die ihre Ausbildung ernsthaft verfolgen, haben eine bessere Qualität der Ausbildung als vor der Reform. Allerdings merken wir, dass die Organisation manchmal nicht funktioniert und dass Schüler Probleme haben und Module, die sie nicht schaffen, im Lauf der Jahre ansammeln und diese so nicht mehr bewältigen können. Die „Modules de rattrapage“ werden nun schnell anders organisiert, der administrative Aufwand bei den Projekten wird weniger werden. Mittelfristig müssen wir schauen, was noch geändert werden kann: Haben wir nicht zu viele Berufsbilder, passen jene, die wir haben, noch in unsere Zeit, wie können wir die theoretische Möglichkeit eines anschließenden Besuchs einer Hochschule auch praktisch umsetzen...

Tageblatt: Welche Zeitschiene ist jetzt bei der Sekundar-Reform vorgesehen?

Claude Meisch: Wir warten das Gutachten des Staatsrates ab und werden den Text weiterentwickeln. Grundsätzlich liegen die verschiedenen Positionen nicht allzu weit auseinander. So ist das Prinzip des Tutorats unumstritten, eine unterschiedliche Gewichtung der Sprachen ist auch Konsens ... Differenzen gibt es bei der konkreten Umsetzung und hier müssen wir auf berechtigte Kritiken eingehen. Die Theorie muss in der Praxis funktionieren, wie das Negativbeispiel Berufsausbildung gezeigt hat. Ich hoffe, dass das Gutachten des Staatsrates vor dem Sommer vorliegt; danach werden wir unsere Analyse durchführen und Ende des Jahres könnte der gesetzgeberische Prozess weiterlaufen. Im Laufe des kommenden Jahres dürfte das Gesetz verabschiedet werden.

Tageblatt: Sie sind als Minister nun auch zuständig für Kinder und Jugend, also auch für die "Maisons relais". Wird die Zusammenarbeit Schule/,,Maisons relais" sich verändern?

Claude Meisch: Wir haben eine Sprachensituation, die mit keiner eines anderen Landes zu vergleichen ist. Die Muttersprache ist meist Luxemburgisch oder Portugiesisch, die Alphabetisierung erfolgt in Deutsch oder Französisch, also nicht in einer Muttersprache. Wir werden auf diesem Gebiet weiter mit der Universität Luxemburg zusammenarbeiten, die hier bereits Kompetenzen angesammelt hat. Die Altersperiode zwischen null und drei Jahren ist besonders wichtig beim Erlernen von Sprachen, deshalb werden wir versuchen, die entsprechenden Kompetenzen hier zu fördern. In diesem Zusammenhang ist auch das Gesetzesprojekt 6410 zu sehen, das Qualitätskriterien für die „Maisons relais“ festlegen wird. Bislang gibt es mehrere Instanzen rund um die Kinder - Schule, „éducation diffrenciée“, ONE, „Maisons relais“ - die sich jeder separat um sie kümmern. Wir streben eine Vernetzug und Zusammenarbeit dieser Dienste an. In welcher Form dies schlussendlich geschieht, werden wir sehen.

Tageblatt: Die Apess hat vor wenigen Tagen vorgeschlagen, auf Gehaltsverbesserungen verzichten zu wollen, wenn die Reform - oder zumindest die Einführung von Bewertungskriterien zurückgezogen werde. Was halten Sie hiervon?

Claude Meisch: Die Gewerkschaft hat diesen Vorschlag bereits vor Wochen in einer Unterredung mit mir gemacht. Es ist eine ehrenvolle Haltung in schwierigen Zeiten; allerdings haben wir bereits als Regierung gesagt, wir würden die abgeschlossenen Verträge einhalten. Es stellt sich aber dennoch das Problem der Bewertung von Lehrkräften, die eine Herausforderung darstellt. Wir müssen eine andere Form der Bewertung entwickeln als im öffentlichen Dienst üblich und möglich.

Tageblatt:  In den letzten Wochen wurde die Diskussion um den Standort der Ackerbauschule wieder akut. Wie sehen Sie die Problematik?

Claude Meisch: Die Standortfrage ist hierbei zweitrangig; es darf nur nicht allzu lange dauern, bis eine Alternative verwirklicht wird. Wenn das Lyzeum in Gilsdorf realisiert wird, dauert es mindestens bis 2019 bis es fertig ist und in der Zwischenzeit müssen wir ohnehin übergangsmäßig in das alte Gebäude investieren. Am Abriss der Ackerbauschule hängt dann auch der Neubau des Lycée technique an dieser Stelle, ein Militärlyzeum soll in der Nordstadt entstehen. Die Schuleinrichtungen in der Region müssen also als Ganzes gesehen werden. Im Mai werden die Beteiligten zusammenkommen und eine Entscheidung nehmen.

Tageblatt: Wie geht es mit einer anderen großen Baustelle, der Universität auf Belval weiter?

Claude Meisch: Das war eine der Prioritäten, als ich das Ministerium übernahm: Die Gebäude sind praktisch bezugsfertig, allerdings fehlten Kredite für die Inneneinrichtung. Wir haben jetzt in einer ersten Phase die Kredite für die Uni erhöht, für die Jahre 2016, 2017 und 2018 werden wir dem Parlament entsprechende Finanzierungsreglemente vorlegen. Im Februar 2015 werden die ersten Fakultäten einziehen. Der Rektor wird mit seinen Diensten noch dieses Jahr nach Esch umziehen.

Tageblatt: Auch der Bereich Forschung ist Ihnen unterstellt. Wie sehen Sie dieses Feld?

Claude Meisch: Die öffentlichen Forschungsinstitute müssen enger mit der Wirtschaft zusammenarbeiten. Auch wenn man Forschung nicht ausschließlich resultatorientiert sehen darf, so muss sie doch im Dienst der Gesellschaft stehen. Die Forschungsinstitute sollten effizienter arbeiten; die geplante Zusammenlegung von Lippmann und Tudor sind ein Schritt in diese Richtung; weitere könnten folgen. Wir müssen auch versuchen, junge Menschen in Richtung Forschung zu orientieren; die Forschung in Luxemburg sollte nicht ausschließlich von im Ausland eingekauften Wissenschaftlern gemacht werden. Die Universität, bzw. der Standort Belval wird hier auch eine wichtige Rolle spielen. Die entsprechenden Labors sind offen und werden nicht ausschließlich von den Studenten genutzt werden."

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